Plattenkritik

Sonic Skies - Constants & Variables [EP]

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Release Date: 17.02.2015
Datum Review: 14.02.2015

Sonic Skies - Constants & Variables [EP]

 

 

Ich habe mit allem gerechnet, nur nicht mit ihm! Wie immer, wenn ich ihn in den letzten Jahren sah, sah er scheiße aus. Verbraucht, zerschlissen und ausgemergelt. Aber trotz aller ihn ereilenden Widrigkeiten ging er nach wie vor aufrecht und ganz tief im Innersten hatte ich das Gefühl, er genoss sein Leben als abgewrackte Zielscheibe mehr, als er es durchlitt. “Mr. Metalcore, du lebst? Ich freue mich, dich zu sehen“ Und das war ehrlich gemeint. Früher einmal, vor langer langer Zeit, da feierte ich ihn, dann feuerte ich ihn und mittlerweile finde ich ihn wieder. Erträglich. “Laber nicht und lass mich einfach rein!“ Während er das sagte, stürzte er bereits ins Innere und ich ließ ihn gewähren. Schließlich waren wir mal gut befreundet. Er war sicherlich froh darüber, dass ihm endlich mal nicht die Eingangstür ins Gesicht geschlagen wurde. Er machte es sich bequem, er wusste auch genau wo, schließlich war er schon zigmal in meinem heimischen Geschmack. Er fing auch ohne weiteres Geplänkel an zu erzählen und hörte sich dabei förmlich wie ein städtischer Rathausbürokrat an: “Auf diesem Weg möchte ich dir die Jungs der Hamelner Metalcore Band SONIC SKIES vorstellen. Ende 2012 fanden sie sich zusammen mit dem gemeinsamen Ziel, energiegeladen Metalcore zu spielen, der sich in jedermanns Gehörgang festsetzt. Einen weiteren Schritt zur Erreichung ihres Ziels gehen sie mit ihrer zweiten EP "Constants & Variables", die bereits im Februar dieses Jahres im Eigenvertrieb erschienen ist und die ich jetzt sofort in deinen Player legen könnte.“ Er sah mich mit fiebernden Augen an und zuckte zusammen, als ich aufsprang und schrie: “Hameln, Haaameln, HAMELN???“ Ich begann zu singen:

“Weißt du nicht wo Hameln liegt, Hameln an der Weser; wo es so schöne Frauen gibt, Hameln an der Weser!“

Er sah mich entgeistert an und seit langer, langer Zeit verzogen sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln. Ich trug zur Aufklärung bei. „Hameln ist meine Heimat. Ich bin dort geboren, zur Schule gegangen und freue mich, einer Hamelner Band mein Gehör zu schenken.“ Er war noch immer etwas unsicher, gab sich dann aber einen Ruck und gab die sechs Tracks umfassende EP zur Kritik frei. Wir sprachen nicht und lauschten. Ich begann als Erster, die Klänge meiner Heimat verbal zu durchstoßen: „Sie klingen gereift. Seit wann gibt es die Band?“ „Sie haben sich 2012 gegründet. Keine Ahnung, was sie vorher gemacht haben, aber auf den Fotos sehen sie erwachsen aus…“ Wir mussten beide lachen. Ich sinnierte “Immerhin versuchen sie nicht, ihren Stil als progressiv zu beschreiben oder mit der „Post“ zu umtüddeln, sondern deklarieren ihn als das, was er ist: M e t a l c o r e. Sie wollen nicht die Harten sein, sie gehen Richtung Nachdenklichkeit, kredenzen Melancholie und…“ „…erschaffen Atmosphäre!“ beendete Mr. Metalcore meinen Gedankengang. Ich wusste genau, was er jetzt sagen würde. Und tatsächlich. “Sie machen nix Neues, aber das, was sie machen, hat Hand und Fuß.“ Ich dachte einen Augenblick nach und provozierte: “Sind nicht Metalcore machende Bands mit Hand und Fuß genau der Grund dafür, dass du von deinem einst so hohem Ross unsanft auf den Boden der Tatsachen geworfen wurdest?“ Schweigen. Im Hintergrund lief nach wie vor "Constants & Variables" und rückte somit wieder in den Vordergrund. Wäre dieses Schweigen nicht gewesen, hätte sich „This Place Is Dead“ nicht Gehör und Gespür für die Materie verschaffen können. Die Eindringlichkeit und Zerbrechlichkeit des Refrains schafft Nachdenklichkeit und offenbart ein Verlangen, weiter intensiv den folgenden Songs zu folgen. „The Storm“ beginnt etwas forscher, um sich dann zurückzunehmen und letztlich mit Kraft wieder zuzuschlagen. Bei „Our Way Back Home“ bekam ich feuchte Augen und ein schweres Herz, musste ich doch an die vielen schönen Augenblicke von damals denken, als noch unbeschwert an der Weser oder der alten Sumpfe gefeiert wurde, ohne zu wissen, was im Kapitel Leben noch alles folgen sollte. Der der EP den Namen gebende Song offenbart noch einmal Facettenreichtum im eng gestrickten Korsett, wobei auch hier zum Ende eine gewisse harmonische Schwerkraft entfleucht. Hinten dann mit „Hidden Track“ ein hidden Track, der zumindest bei mir das Rauschen der Weser suggeriert, die bei der Hameln eigenen Insel "Werder" kräftiger wird, um dann seicht auslaufend ihren Weg heraus aus Hameln ins Ungewisse zu bahnen.
Ich hing noch meinen Gedanken nach als Mr. Metalcore mit zaghaften Bewegungen auf sich aufmerksam machte und flüsterte „Gefallen sie dir?“ Ich begegnete seinem flehendem Blick und konnte nicht anders, als ihm die Wahrheit zu sagen: “Viel mehr als das…!“

Tracklist:
01. Hope Dies
02. This Place Is Dead
03. The Storm
04. Our Way Back Home
05. Constants & Variables
06. Hidden Track

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Clement

Autoren Bio

Ich fühle mich zu alt